Partei der Arbeit Türkei (EMEP): Die Regierung versucht erneut, das Volk zu betrügen

Wir rufen die Arbeiterklasse und alle anderen unterdrückten und ausgebeuteten Klassen auf, der Regierung eine Lektion zu erteilen!

Die Türkei tritt nun aufgrund der Entscheidung der Allianz des Präsidenten in eine verkürzte Wahlperiode ein. Trotz wiederholter Proteste seit der Ausrufung des Ausnahmezustandes gegen diese antidemokratischen Zustände haben Erdoğan und Bahçeli (Vorsitzender der rechtsextremen MHP/ Graue Wölfe; Anmerkung des Übersetzers) die falsche Entscheidung getroffen, vorgezogene Neuwahlen durchzuführen.

Das zeigt, dass sie kein Interesse an einem demokratischen Wahlverfahren und einer demokratischen Atmosphäre haben, die dem Willen des Volkes entsprechen würde.

Mit dieser Entscheidung demonstrieren sie ihre völlige Missachtung für Normen und Gesetze bei ihrem Streben nach einer Ein-Mann- und Eine-Partei-Regierung. Mit diesen Wahlen hoffen sie, die Schwierigkeiten bewältigen zu können, die ihnen ihre Innen- und Außenpolitik gebracht haben. Doch das ist unmöglich! Diejenigen, die vorgeben, dass mit diesen Wahlen die Probleme im Land und außerhalb gelöst werden könnten, versuchen erneut, das Volk zu betrügen.

Nichtsdestotrotz wissen wir, dass die Völker durch ihre täglichen Erfahrungen mit den Zerstörungen, die durch den Ein-Mann- und Ein-Parteien-Staat verursacht werden, lernen.

Wir rufen die Arbeiterklasse und alle anderen unterdrückten und ausgebeuteten Klassen auf, der Präsidenten-Allianz, angeführt von Erdoğan und Bahçeli, den Architekten einer Politik, die unser Land in eine Sackgasse treibt, eine Lektion zu erteilen! Aktuell ist der Kampf für demokratische Rechte und politische Freiheit eine dringende Pflicht

19.4.18

Selma Gürkan

Vorsitzende der Partei der Arbeit (EMEP)

Soli-ABO für Evrensel!

Die Pressefreiheit in der Türkei leidet. Nur noch wenige Printmedien berichten unermüdlich und kritisch über Erdogan, seine AKP und ihre Machenschaften. 3 dieser regierungskritischen Zeitungen sind die Cumhuriyet, die Evrensel und die Birgün, die durch Gerichtskosten, Verfahren und Verhaftungen mundtot gemacht werden sollen. Alle drei haben Mitarbeiter, die seit Monaten im Gefängnis ausharren, in vielen Fällen ohne Anklage. Einzelne Exemplare und Ausgaben werden konfisziert, der Verkauf verhindert, Käufer und Verkäufer kriminalisiert und mit Gewalt dazu gezwungen und genötigt, die Zeitungen gar nicht erst anzubieten oder geheim unter der Ladentheke abzugeben.

Die Zeitungen recherchieren mal gut mal schlecht, sie schreiben mal interessant mal trocken, sie vermitteln politische Werte und Inhalte, mit denen man nicht immer gleicher Meinung sein muss, aber sie machen Journalismus! Im Gegensatz zu den Krawallblättern, die nichts anderes machen, als bei allen Schritten der Regierung „Hurra“ zu schreien, oder jene als „Vaterlandsverräter“ zu beschimpfen, die nicht einverstanden sind, die nicht willig sind „Hurra“ zu schreien.

Guter Journalismus kostet nun mal einfach Geld, das ist in der Türkei nicht anders als in Deutschland. Einfach nur vor dem Bildschirm zu sitzen, sich in Deutschen Nachrichtenmagazinen, auf Facebook und Twitter darüber aufzuregen, was drüben passiert, bringt nicht viel. Statt zu jammern, könnte man einfach ein Abo abschließen. Und wenn man der türkischen Sprache nicht mächtig ist, eben ein Soli-Abo. Für uns sind es lediglich Paar Euro, für die Meinungsfreiheit in der Türkei aber eine große Stütze!

Kutu:

Wer ist Evrensel?

Evrensel (türkisch für universal) ist eine linke türkische Tageszeitung. Sie wurde 1995 gegründet und machte sich schnell einen Namen, weil sie häufig verboten und ihre Journalisten festgenommen und von den Staatsorganen gefoltert wurden. Evrensel steht politisch links und gilt als systemkritisch. Wegen staatlichen Verboten benannte sich die Zeitung mehrere Male um, zunächst im November 1996 in Emek (Arbeit), 1998 in Yeni Evrensel (Neue Evrensel), 2001 dann in Günlük Evrensel (Täglich). Internationales Aufsehen erregte der Fall ihres Reporters Metin Göktepe, der nach seiner Festnahme im Zuge einer Solidaritätsveranstaltung zu Gedenken von todesfastenden politischen Gefangenen während der Ausübung seiner Arbeit von elf Polizisten zu Tode geprügelt wurde. Dass nur fünf der Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt und die übrigen freigesprochen wurden, löste international Proteste aus. Die fünf Polizisten waren die ersten, die in der Türkei überhaupt wegen der Tötung eines Journalisten rechtskräftig verurteilt wurden. Gleichwohl wurden sie nach einem Jahr und acht Monaten in Haft im Zuge einer Amnestie freigelassen.

 

Brief von Deniz Yücel vom 3. April 2017

Hallo Welt, hallo Flörsheim!

Da ich keine Briefe schreiben darf, übermittele ich diese Nachricht mündlich über meine wunderbaren Anwälte.

Auch wenn ich weiterhin in Isolationshaft gehalten werde und auch wenn das faktische Briefverbot fortbesteht, dringt die vielfältige Unterstützung, die Sie mir und meinen in der Türkei inhaftierten Kollegen zukommen lassen, bis hierher durch. Dafür meinen großen, herzlichen Dank!

Ich habe eine Bitte: Eine der ersten Sachen, die ich in diesem Gefängnis gemacht habe, war, die Tageszeitungen „Cumhuriyet“, „Birgün“ und „Evrensel“ zu abonnieren. Ich lade Sie dazu ein, ebenfalls diese Zeitungen oder eine der wenigen verbliebenen und in jeder Hinsicht unter Druck stehenden unabhängigen Medien zu unterstützen.

Um die E-Paper-Ausgabe der „Cumhuriyet“, „Birgün“ oder „Evrensel“ zu abonnieren, muss man nicht in der Türkei leben. Und um für ein paar Euro einen konkreten Beitrag zur Unterstützung der Pressefreiheit in der Türkei zu leisten, muss man nicht einmal Türkisch können.

An: Appell an die Bundesregierung Kein schmutziger Deal mit der Türkei !

Wir fordern: Schluss mit dem schmutzigen Deal mit der Türkei! Ein Politikwechsel muss her!

Keine Rückendeckung für Krieg gegen Menschenrechte, Demokratie und Frieden!

Der Deal löst kein Flüchtlingsproblem, bringt aber Krieg und Terror nach Europa.

Wir fordern die Unterstützung von Demokratie und Toleranz statt nationalistisch rassistischer Kriege und Terror im Nahen Osten.

Keine Gelder, keine Waffen, keine anderen logistischen oder militärischen Hilfeleistungen mehr an die Türkei Statt EU-Beitrittsperspektive diplomatischer Druck auf die Türkei zur Einstellung aller staatlichen Terrorhandlungen und friedensbehindernden Aktivitäten.

Schluss mit allen Sonderrechten für die Türkei in Europa. Schluss mit Behinderungen von Demokraten ,der linkspluralistischen Partei HDP und internationalistischen Freiheitsbewegungen. Weg mit dem PKK Verbot.

Konsequente Einhaltung der UNO Menschenrechts- und Genfer Flüchtlingskonventionen. Vertreter der Kurden an den Genfer Verhandlungstisch. Freier Zugang für Hilfslieferungen und Rückkehrer nach Rojava.

Nicht Böhmermann, sondern der Menschenrechtsverletzer Erdogan gehört vor Gericht !

Brechen wir das Schweigen und werden wir – in einer langandauernden Kampagne- so laut bis man uns hört!

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Die Deutschland Kampagne „Kein schmutziger Deal mit der Türkei“ wird ab 1. September in die Europaweite Kampagne „Say No to the dirty Deal with Turkey“ endgültig überführt. Es gibt nun ein Update des Appells auf europäischer Ebene, den wir Sie bitten ab nun zu unterstützen und unter dem folgenden Link zu zeichnen.

https://nodirtydeal.net/

Wir möchten uns nochmals bei allen bedanken, die den bisherigen Appell „Kein schmutziger Deal mit der Türkei “ unterstützt haben.
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Hier der Link zur Webpage der Deutschlandkampagne und dem ursprünglichen vollständigen Anschreiben an die Bundesregierung;
http://keinschmutzigerdeal.net/appell/anschreiben/
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Hier die Übersicht der Orgnaisationen und Persönlichkeiten , die den ursprünglichen Appell intiiert haben und die Kampagne unterstützen:
http://keinschmutzigerdeal.net/erstunterstutzer/

Warum ist das wichtig?

Der Deal mit dem Erdogan Regime macht die Doppelbödigkeit und offensichtliche Skrupellosigkeit der aktuellen Politik von EU und Bundesregierung in besonderer Weise deutlich. Der Deal steht für die Abschottung und gleichzeitig Ausdehnung der Machtbasis der EU in den Nahen Osten und ist Pilot für neue schmutzige Deals nach Nordafrika. Er steht für ein ganzes Bündel von Maßnahmen, das keines der zentralen Probleme löst, sondern weiter – mit allen Folgen auch für uns in Europa- verschärft.

(1) Der Deal fördert neues Flüchtlingselend durch Duldung von Bürgerkrieg und militärischen Attacken der Türkei in die Nachbarländer. Flüchtlingsrechte werden ordnungspolitischen Machtinteressen geopfert. Noch mehr Menschenleben werden auf noch abenteuerlicheren Fluchtrouten gefährdet. Statt zur Unterstützung der UNFlüchtlingshilfe werden unglaubliche 6 Milliarden Euro an die Türkei gezahlt, u.a. verwendet für Umsiedlungen im Rahmen ethnischer Säuberungsprogramme oder für den Bau einer 900 km langen Abschottungsmauer. Die meisten Flüchtlinge leben in der Türkei in einer rechtlosen , sozial unerträglichen Situation, zum Teil willkürlich abgeschoben, oder am Grenzübertritt mit Schusswaffen gehindert. Anderen wird die Rückkehr für den Wiederaufbau nach Rojava verwehrt. Durch die gezielte Verweigerung des Familiennachzugs wird eine sozialverträgliche Flüchtlingsintegration bei uns in Deutschland massiv behindert.

(2) Der Deal bedeutet nicht nur Schweigen zu Menschenrechtsverletzungen und Zerschlagung demokratischer Werte, er ermuntert das Erdogan Regime geradezu, Massaker an der Zivilbevölkerung mit hunderten Toten, 200 0000 Vertriebenen, der brutalen Verfolgung der internationalistischen kurdischen Freiheitsbewegung und die Hexenjagd auf Demokraten – insbesondere die Mitglieder der links-pluralistischen HDP-, die freie Presse, Frauenrechte, Wissenschaftler und Künstler fortzusetzen.

(3) Der Deal stellt ein Versprechen dar auf fortgesetzte Waffenlieferungen, militärische und logistische Hilfeleistungen, Rückendeckung für völkerrechtswidrige Militäraktionen . Die militärischen Konflikte werden nicht beigelegt, sondern befeuert. Erdogan riskiert die direkte Konfrontation zwischen Nato und Russland , nicht nur in Nordsyrien, ganz aktuell auch im Aserbeidschan Armenien Konflikt. Der Deal droht so zum Brandbeschleuniger für die Spannungen in Osteuropa und Ukraine zu werden. Und die Unterstützung des Ausschlusses der syrischen Kurden von den Friedensverhandlungen belastet den Friedensprozess in Genf.

(4) Die deutsche Politik verschafft Erdogan Freiräume und Sonderrechte , um auch in Deutschland Presse und Satire (Böhmermann,Xtra3) unter Druck zu setzen und seine Anhänger zu formieren. Die bundesweiten Aufmärsche am 10.4. waren ein Bekenntnis für Rassismus , Intoleranz und ein Regime, das fortgesetzt seine geistige Nähe und Vernetzung mit islamistischen Terroristengruppen ausweist . Ziel war die Schmähung, Provokation und Einschüchterung der vielen hier lebenden türkischen Demokraten, Gewerkschafter , Kurden und ihrer Unterstützer. Die deutschen Staatsorgane ducken nicht nur weg, sie halten ihre schützende Hand darauf .

(5) Die Gewaltspirale im Nahen Osten wird genährt durch die Instrumentalisierung von Nationalismus, Rassismus, Intoleranz. Sie kann nur durch ein demokratisches , friedliches Miteinander aller Nationalitäten, Religionen und Geschlechter durchbrochen werden. Unter Führung der kurdischen Freiheitsbewegung wird ein solches Gesellschaftsmodell im Norden Syriens und in Teilen der Türkei aufgebaut. Der Deal richtet sich gegen den einzigen erfolgversprechenden Lösungsansatz für eine nachhaltige Befriedung der Nahost Region . Weil Freiheitsrechte , basisdemokratische Selbstverwaltung und Selbstbestimmung das patriarchalische Unterdrückungssystem nach innen und die hegemoniale Politik der Türkei nach außen stören, müssen sie aus Sicht der türkischen Staatsgewalt ausgemerzt werden. Auch die Aufrechterhaltung des PKK Verbots und die Behinderung oppositioneller Gruppen bei uns sind aktive Schützenhilfe hierzu.

Es gibt also genug Gründe. Gegen den Deal mit der Türkei als Ganzes zu sein. Gegen die dahinterstehende Politik mobil zu machen. Um in einer Kampagne die vielen Einzelproteste zusammenzuführen.

Mache mit, unterschreibe den Appell und werbe bei allen Deinen Freunden! Fordern wir einen Politikwechsel.

Schluss mit dem schmutzigen Deal. Werden wir stark und laut, bis sich was ändert.

Keine Unterstützung der Türkei mit Geldern und Waffen. Diplomatischer Druck zur Einstellung aller staatlichen Terrorhandlungen und militärischen Attacken.

Weg mit allen Verboten gegen Demokraten und Behinderungen der Freiheitsbewegungen bei uns.

Nicht Böhmermann, der Menschenrechtsverletzer Erdogan gehört vor Gericht

Wie die Unterschriften übergeben werden

Der Appell ist Kern einer Kampagne und soll dem Protest gegen einen politischen Kurs Ausdruck verleihen, der mit dem Türkei Deal seinen besonderen Ausdruck findet. Die Kampagne ist aktuell auf mindestens 6 Monate ausgelegt, kann aber auch, wenn dies .aufgrund der beabsichtigten politischen Wirkung sinnvoll ist, verlängert werden. Die Unterschriften werden am Ende in einer öffentlich wirksamen Formm dem Adressaten Bundesregierung übergeben.

https://weact.campact.de/petitions/kein-schmutziger-deal-mit-der-turkei-appell-an-die-bundesregierung-1

Keine deutsche Hilfe für türkische Kriegspläne!

Der türkische Staat startete die angekündigte Militäroffensive gegen den kurdischen Kanton Afrin im Norden Syriens. Seit Tagen stand Afrin, der Teil der mehrheitlich von Kurden bewohnten selbstverwalteten Demokratischen Konföderation Nordsyrien (Rojava) ist, unter Artilleriebeschuss der türkischen Streitkräfte. Am 20. Januar begannen türkische Jets die Region zu bombardieren. Kurdische Quellen berichten, es habe bisher neun Todesopfer gegeben, darunter sechs Zivilisten. Der türkische Regierungschef Binali Yildirim kündigte an, auf die Luftschläge würde jetzt der Einmarsch türkischer Bodentruppen in Nordsyrien folgen, die von dschihadistischen Milizen unterstützt werden.

Im Fokus der türkischen Militäroffensive stehen nach eigenen Angaben die Stellungen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG). YPG ist Teil des Militärbündnisses Syrische Demokratische Kräfte (SDF). Das Bündnis ist die einzige demokratische und säkulare Kraft in Syrien, die den Islamischen Staat (IS) erfolgreich bekämpft hat. Dass die AKP-Regierung unter dem Vorwand des Regimewechsels auch auf dschihadistische Terrorbanden zurückgreift, ist kein Geheimnis. Jetzt sollen diese erneut an der Seite der Bodentruppen eingesetzt werden.

Seit dem Beginn des Kriegs in Syrien im Jahre 2011 ist Afrin die sicherste Region im Norden des Landes. Sie bot den Kriegsflüchtlingen stets Zuflucht vor islamistischen Terroristen an. Trotz der zahlreichen Provokationen seitens der türkischen Armee ging von Afrin keine Bedrohung aus. Dass der Kanton jetzt als eine Gefahr für die Türkei dargestellt und zum Ziel von Militärangriffen wird, macht die wahren Absichten der AKP-Regierung deutlich: das Selbstbestimmungsrecht der Kurden soll um jeden Preis verhindert werden.

Die unverhohlene Kriegstreiberei des türkischen Präsidenten Erdoğan und seiner AKP-Regierung wird seit Wochen von einer nationalistischen Propaganda begleitet. Diese soll auch der Einschüchterung von Kurden im Land, aber darüber hinaus jeglicher Opposition in der Türkei dienen. Mit ihrer Militäroffensive beschwört die Türkei nicht nur ein Wiederaufflammen der Kämpfe in Syrien, sondern auch die Gefahr einer bürgerkriegsähnlichen Entwicklung in der Türkei auf.

Trotz dieser Gefahren hält die Bundesregierung an ihrer Politik der Unterstützung der Türkei fest. Während Erdoğan die Offensive ankündigte, erklärte Bundesaußenminister Gabriel, die Bundesregierung werde die Modernisierung der Leopard-II-Panzer durch den Rüstungskonzern Rheinmetall genehmigen. Diesen Deal begründet er, wie die Türkei ihre jetzigen Angriffe, mit dem Kampf gegen den IS-Terror.

Laut Presseberichten erklärten “nicht näher genannte Kreise aus dem Auswärtigen Amt”, man sei besorgt und rufe “alle Beteiligten auf, jetzt besonnen zu handeln und keine neue Gewalt aufkommen zu lassen”. Dabei müsste man auch im Auswärtigen Amt wissen, dass die Rüstungsexporte der Bundesregierung an Erdoğan den Kampf gegen den IS schwächen und stärken nur den dschihadistischen Terrorbanden in Syrien stärken. So macht sich die Bundesregierung zum Komplizen Erdoğans und der türkischen Regierung.

Eine “Normalisierung der Beziehungen zur Türkei”, die jetzt von der Bundesregierung begrüßt wird, wird deren Verantwortung an weiterem Blutvergießen vergrößern. Wir rufen an die Öffentlichkeit in Deutschland: Setzen Sie sich bitte dafür ein, dass dieser Panzerdeal und sämtliche Rüstungsexporte an die Türkei beendet werden! Verhindern wir gemeinsam, dass die Türkei mit der Besetzung Afrins und anderer Gebiete in Rojava die einzigen demokratischen und säkularen Kräfte zurückdrängen und islamistische Terrorbanden stärken kann!

Föderation Demokratischer Arbeiterverein (DIDF)

Journalismus unter Kriegsbedingungen

Der Militäroperation in Afrin haben sie den Namen “Olivenzweig” gegeben. Angesichts der heutigen Bedingungen fragt man sich unweigerlich, was uns wohl erwarten würde, wenn sie den Namen “Weber-Karde” oder einer anderen Distelart gewählt hätten. Mit der Bezeichnung “Olivenzweig” wird suggeriert, die Operation hätte den Frieden zum Ziel. Andererseits werden Menschen festgenommen, weil sie sich in sozialen Medien gegen den Krieg und für den Frieden ausgesprochen haben. Zu diesen Festgenommenen gehören inzwischen auch Journalisten.

Die Vertreterin von Arti TV in Ankara, Sibel Hürtaş wurde zu nächtlicher Stunde in ihrer Wohnung vor den Augen ihrer zwei Kinder festgenommen. Um herauszufinden, was ihr vorgeworfen wird, schaue ich mir ihre Nachrichten in sozialen Medien an. Sie hat lediglich Nachrichten gepostet, in denen sie auf ihre Sendungen auf Arti TV zum Thema “Militäroperation gegen Afrin” hinwies – sonst nichts. Anscheinend störten sich gewisse Kräfte an den Aussagen ihrer Gäste, die sich gegen den Krieg ausgesprochen hatten und auch daran, dass Sibel diesen “Olivenzweig” nicht weiterreichen wollte.

Regierungschef Binali Yıldırım vesammelte nach Beginn der Militäroffensive Vertreter der 15 größten Medien, um ihnen vorzuschreiben, wie sie darüber zu berichten haben. Jetzt sehen wir, wie man mit denen umgeht, die sich nicht daran halten. Man führt also den Krieg nicht nur in Afrin, sondern auch gegen die wenigen Journalisten, die sich gegen diesen Krieg aussprechen. Wir leben in einer Zeit, in der fast alle Medien eines Landes den Krieg mit den Landesinteressen gleichsetzen. Wer anders denkt, befindet sich in einem medialen Feld, das von ihren kriegsverherrlichenden Kollegen vermint worden ist.

In den von ihnen formulierten Headlines heißt es: “Wir sind einmarschiert!”, “Wir haben zugeschlagen!”, “Wir haben bombardiert!” Chefredakteure von TV-Sendern und Zeitungen twittern quasi im Wettbewerb mit Generälen, was das Zeug hält. Da müsste es doch das Selbstverständlichste sein, zu fragen, ob die Kurden an den Grenzen zur Türkei wirklich eine Bedrohung für das Land darstellen. Genauso müsste es doch selbstverständlich und gestattet sein, in Erinnerung zu rufen, dass noch vor einigen Jahren der Vorsitzende von PYD, Salih Müslim, zu Gesprächen mit höchsten Vertretern des Staates in die Türkei eingeladen wurde.

In Kriegszeit ist das Verhältnis derer, die den Krieg beschlossen haben, mit den Medien dadurch gekennzeichnet, dass sie von den Medien erwarten, ihren beruflichen Auftrag den Interessen des Landes unterordnen. Und das ist der kritische Punkt: Kann man denn die nationalen Interessen dadurch sicherstellen, dass man die Journalisten als Waffen einsetzt? Warum sollen diejenigen, die den Krieg beschlossen haben, auch bestimmen, was Wahrheit ist? Die Menschheit wurde Zeugin von unzähligen Kriegen, die nicht im Interesse des jeweiligen Landes lagen und zum Tod und Elend für viele führten. Nicht zuletzt deshalb brauchen wir unabhängige Medien, die die richtigen Informationen herausarbeiten und an die Menschen bringen.

Die Nachricht ist keine Kugel und der Journalist keine Psitole. Journalismus ist aber eine Kraft, die stärker als die stärkste Kriegswaffe sein kann. Mit einer falschen Nachricht kann man einen Krieg auslösen. Mit einer richtigen Nachricht kann man aufzeigen, dass die Wahrheit außerhalb der Grenzen liegt, die mit dem Krieg gezogen werden. Auch dafür gibt es genügend Beispiele.

Heute werden Menschen festgenommen, die in sozialen Medien oder auf einer Antikriegsdemo sagen, der Krieg liege nicht im Interesse des Landes oder der Völker in der Region. Das wiederum zeigt, dass selbst die verbliebenen Freiheiten den Interessen des Krieges geopfert werden.

Sie geben dem Krieg den Namen “Olivenzweig”, der den symbolisiert. Andererseits verbieten sie quasi die Verwendung des Begriffs “Frieden”.

Ein Land, in dem sich niemand für die Wahrheit einsetzen darf, hat seine Gegenwart und auch seine Zukunft verloren. Und genau aus diesem Grunde dürfen die wahren Journalisten nicht zulassen, dass die Wahrheit dem Krieg geopfert wird. Wir müssen unsere Arbeit tun und die Wahrheit aufdecken, weil wir uns der Bevölkerung verpflichtet sehen. Sie muss dann das Ihrige tun.

FATIH POLAT (Chefredakteur der tageszeitung Evrensel)

„Der Zug ist noch nicht abgefahren“

Fatih Polat, Chefredakteur der Tageszeitung Evrensel, sagt, dass kritische Berichterstattung weiterhin möglich ist. Das Wort „oppositionell“ mag er nicht.

ELISABETH KIMMERLE, 2018-02-15

Fatih Polat wurde 1969 in Istanbul geboren. Er ist Chefredakteur der Tageszeitung Evrensel und arbeitet für das Blatt schon seit seiner Gründung im Jahr 1995.

Ihre Zeitung ist eine der letzten in der Türkei, die man als oppositionelles Medium bezeichnen kann. Was zeichnet die Evrensel aus?

Fatih Polat: Wir finden den Begriff „oppositionelle Zeitung“ problematisch, weil er den Eindruck erweckt, die Zeitung sei zuerst dazu da, um zu opponieren. In unseren Augen ergänzt sich die Berichterstattung von Journalisten, die in den regierungsnahen Medien arbeiten, und unsere journalistische Arbeit. Wir distanzieren uns auf jeden Fall von parteiischem Journalismus. Wir versuchen, die Wahrheit mehrdimensional darzustellen.

Das ist dieser Tage gar nicht so einfach. Zu Beginn der Offensive der türkischen Armee um die Region Afrin gab der Innenminister eine 15-Punkte-Liste an Medieneigentümer heraus, die erläuterte, wie über den Einmarsch in Syrien zu berichten sei.

So ein Briefing herauszugeben ist ein Zeichen von Zensur und Kontrolle. Das bedeutet, Nachrichten aus einer Quelle zu bringen. Es gibt Zeitungen, die freiwillig einseitig berichten. Aber es gibt auch Medienorgane, die in ihrer Berichterstattung nur kurdische Quellen zu Wort kommen lassen. Das ist propagandistische Berichterstattung. Es gibt weiterhin Journalistinnen und Journalisten, die versuchen, ihre Arbeit ordentlich zu machen, aber sie stehen unter Druck.

Durch die Regierung?

Nicht nur. Auch die Zeitungen, die einseitig berichten, schädigen die Pressefreiheit. Sie bringen jeden Tag Schlagzeilen, die sich für den Krieg aussprechen. Wenn wir eine Schlagzeile veröffentlichen, die sich gegen die Festnahme der Mitglieder der Ärztekammer ausspricht, werden wir zur Zielscheibe.

Ist es im Ausnahmezustand schwieriger, an Quellen zu kommen?

Auf jeden Fall. Menschen, die sich in der heutigen Türkei gegen den Krieg aussprechen und Frieden fordern, werden festgenommen, darunter Gewerkschafter und Parteimitglieder. Es handelt sich um eine breite Operation im Inneren, während der Angriff auf Afrin fortdauert. Die Menschen werden nervös, wenn man ihnen auf der Straße ein Mikrofon entgegenstreckt. Sich offen für den Frieden auszusprechen ist für viele dieser Tage nicht einfach.

In diesen Zeiten wird man schnell als Terrorunterstützer angeklagt, wenn man sich für den Frieden ausspricht. Ist das ein anderer Weg, die Presse auf Linie zu bringen?

Es werden Verfahren gegen Journalisten wegen des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ eingeleitet. Das ist ein abstruser Vorwurf. Das zu sagen heißt: „Ich habe keinen einzigen Beweis gefunden, der dich belasten könnte. Aber ich bin entschlossen, dich mit einer abstrusen Begründung festzunehmen.“ Aber dass es so unpräzise ist, ist auch Ausdruck der Zensur durch die Regierung. Die abstrusen Vorwürfe sind eine große Gefahr. Solange es in einem Land Regulierungen wie das Terrorbekämpfungsgesetz gibt, kann man auf keinen Fall von Pressefreiheit sprechen.

Dieses Gesetz ist so unpräzise formuliert, dass es abstruse Vorwürfe bei der Unterstützung von Terrorismus ermöglicht. Was sind die häufigsten Anklagepunkte gegen Kollegen?

Drei unserer Kollegen wurden festgenommen, weil sie über die E-Mails des Energieministers und Schwiegersohns des Präsidenten, Berat Albayrak, berichtet haben. Nachdem sie eine Weile im Gefängnis waren, wurden sie zwar freigelassen, aber die Ermittlungen gehen trotzdem weiter. Wenn wir über eine Person berichten, die dem Präsidenten nahesteht, kann daraus ein Klagegrund entstehen. Wenn wir über Streiks in großen Firmen berichten, bekommen wir häufig Widerrufs- oder Entschädigungsklagen.

Wurden Sie auch selbst angeklagt?

Gegen mich wurden beispielsweise Ermittlungen wegen Beleidigung des Präsidenten eingeleitet, weil ich in meiner Kolumne über das „Black Sea Journalistenkollektiv“ geschrieben habe. Deren Mitglieder beschäftigen sich mit den Off-Shore-Konten des Präsidenten und seines nahen Umfelds auf Malta. Ich habe bereits ausgesagt. Aber es ist immer noch nicht klar, ob ein Verfahren gegen mich eröffnet wird. Wir haben darüber berichtet, dass der Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu schwerwiegende Aussagen in Bezug auf die Paradise Papers gemacht hat. Auch dafür wurden Ermittlungen gegen mich eingeleitet.

In den deutschen Medien wird häufig geschrieben, dass es in der Türkei kaum noch kritische Berichterstattung gibt. Was antworten Sie als ein Journalist, der bei einer kleinen, unabhängigen Zeitung mit einer Auflage von nur 5.500 Exemplaren jeden Tag viel riskiert?

Was die Repressionen angeht, stimmt das. Wir erleben im Journalismus die Repressionen einer Postputsch-Phase. Andererseits tut man vielen Journalisten Unrecht, wenn man behauptet, dass es keine kritische Berichterstattung mehr gibt. Denn im Moment sind 150 Journalisten inhaftiert, gegen viele von uns laufen Ermittlungen und Verfahren. Es gibt viele Kollegen, die für Medien wie Evrensel, BirGün, Cumhuriyet, Özgürlükçü Demokrasi und unabhängige Internetportale eine sehr lebendige Berichterstattung leisten. Von außen sieht es düsterer aus, aber im Land finden wir einen Weg zu berichten. In der Türkei ist der Zug noch nicht abgefahren.

Die Verteidigungsreden von angeklagten Journalisten wie Ahmet Şık und Murat Sabuncu wirken fast wie Lektionen in Sachen Journalismus. Şık hat darin selbst Anklage gegen den Staat erhoben und von einer Jagd auf die Meinungs- und Pressefreiheit gesprochen.

Absolut. Die Verteidigungsreden von Ahmet Şık, Murat Sabuncu, Ahmet und Mehmet Altan sind sehr starke Statements, die die Politik der Regierung kritisieren und die Meinungsfreiheit im Journalismus verteidigen. Man könnte sie als Buch veröffentlichen.

Kann man noch von unabhängiger journalistischer Arbeit sprechen, wenn die unabhängige Presse ständig dazu gezwungen ist, über Inhaftierungen, Freilassungen, Anklagen und Anhörungen von festgenommenen Journalisten zu berichten?

Ja. Es gibt immer noch die Möglichkeit unabhängiger Berichterstattung. In der Türkei gibt es seit einem Jahrhundert sowohl verschiedene Formen von Zensur als auch Kämpfe für die Pressefreiheit. Das ist der Weg, auf dem sich der Journalismus weiterentwickelt. Der Journalismus lebt. Es gibt uns und die Journalisten, die in anderen Medien, auch den regierungsnahen, ihre Arbeit ordentlich zu machen versuchen und deshalb entlassen werden. Es gibt eine Leidenschaft für Journalismus, auch wenn unser Spielraum begrenzt ist und wir schweren Repressionen ausgesetzt sind.

Wie erhalten Sie Ihre Leidenschaft aufrecht?

Die Wahrheit findet immer einen Weg an die Öffentlichkeit. Selbst in der schwierigsten Phase ist es wichtig zu sagen, dass es weitergeht. In diesem Land wollen breite Teile der Bevölkerung Demokratie, Freiheit und Frieden. Ich erinnere daran, dass beim Referendum für das Präsidentschaftssystem im April 2017 50 Prozent mit Nein gestimmt haben. Wir sind ihr Sprachrohr. Wir haben als Journalisten eine Verantwortung für die Gesellschaft. Journalismus sollte nicht im Dienst der Regierenden, sondern der Regierten stehen.

Haben Sie in Ihrer jahrzehntelangen Arbeit als Journalist schon schlechtere Zeiten erlebt?

Das sind jetzt mit die schlimmsten Zeiten. Noch schlimmer war es eigentlich nur in den 1990er Jahren, als es im Kurdenkonflikt zu heftigen Gefechten kam. Damals wurden zahlreiche Journalisten Opfer politischer Morde.

Wie der Journalist Metin Göktepe, der für die Evrensel arbeitete und 1996 von Polizisten getötet wurde.

Ja. Heute aber geht es um Gerichtsverfahren. Nie zuvor gab es so viele Ermittlungsverfahren gegen Journalisten. Journalisten werden verurteilt, ohne dass es rechtlich abgedeckt wäre oder dass die Anklageschrift zureichende Beweise enthielte. Deshalb sprechen wir hier von einem schwerwiegenden Unrecht. Deniz Yücel zum Beispiel ist seit zwölf Monaten ohne Anklageschrift in Untersuchungshaft. Deniz Yücel – ich habe ihn vor Kurzem interviewt – ist ein Indikator dafür, dass es in der Türkei Journalisten gibt, die ihre Arbeit machen wollen und sich dem Druck nicht beugen.

Können Sie auch eigene Themen setzen oder sind Sie nur noch mit der Gerichtsberichterstattung beschäftigt?

Die Regierung erhält den Druck aufrecht und verhindert, dass das Leben zur Normalität zurückkehrt. Aber natürlich schreiben wir auch über andere Themen. Allein, die Repressionen wirken sich auch auf diese Themen aus. Wir schreiben aber auch über die Proteste gegen die geplanten Atomkraftwerke, über die Kämpfe der Künstler und des Kunstsektors, aber ebenfalls über einen schönen, neuen Gedichtband oder Roman. Das machen wir auch, um zu demonstrieren, dass das Leben weitergeht. Diese Art von Berichterstattung ist eine Art von Anstrengung, die Verhältnisse zu verändern.

Aus dem Türkischen von Elisabeth Kimmerle

Imperialistische Pläne hinter der Afrin Operation

Afrin, einer der drei kurdischen Kantone, war seit Beginn des Krieges in Syrien eine der ruhigsten Regionen des Landes. Sie war für viele hunderttausende Kriegsflüchtlinge zur neuen Heimat geworden. Bis die Türkei anfing, Afrin aus ihrer Grenze heraus zu bombardieren,wurde Afrin weitestgehend verschont.
Der „Operation Olivenzweig“ war vorangegangen, dass Russland die Operation „Firat Kalkani“ unterstützte, um die Fusion der kurdischen Kantone (Kobane und Afrin) zu verhindern. Sie war vor allem eine Operation gegen Afrin. Russland schickte hunderte Soldaten an die Grenze, die als „Friedensbeobachter“ fungieren sollten.
Auch wenn Russland auf der einen Seite für die Begrenzung der kurdischen Forderungen ist und auf der anderen Seite die Kurden gerne für eigene Interessen und Strategien einbinden würde, möchte Russland dennoch nicht das strategische Bündnis mit der Türkei verspielen. Daher wird die Operation Olivenzweig gegen Afrin unterstützt. Man verhandelt zur Zeit darüber, ob die politische Macht nach der Operation dem syrischen Regime oder der von der Türkei unterstützten Freien Syrischen Armee übertragen wird. Auch wenn die zweite Option für Russland ernsthafte Risiken beinhaltet, ist der türkische Angriff auf Afrin aus zweierlei Gründen stark attraktiv für Russland: Zum einen werden die Kurden geschwächt, die einen eigenen Staat beanspruchen könnten und damit eine Gefahr für Assads Alleinanspruch darstellen und zweitens werden damit die Beziehung zwischen der USA, die die Kurden unterstützen, und dem Nato Mitglied Türkei ernsthaft beeinträchtigt und Konflikte werden innerhalb des NATO-Bündnisses getragen.
Die USA hatten bereits vor der Entscheidung eines Angriffs auf Afrin erklärt, dass sie eine Grenzsicherheitsarmee mit 30.000 Soldaten aufbauen wollen, die aus den Reihen der Syrischen Demokratischen Kräfte bestehen soll, die von den Kurden dominiert wird. Diese Armee sollte die Grenzen gegen die Türkei und gegen das syrische Regime schützen. Dies hätte Russlands Pläne für Syrien stark gefährdet. Die mit der Grenzsicherheitsarmee verbundene Intention der USA war eine föderale Einbindung der Kurden in Syrien, wenn Assad geschlagen wird, was wiederum mit dem russischen Plan von der Einheit von Syrien unter Assad und einer begrenzten Autonomie für die Kurden in Widerspruch steht.
Russlands Einwilligung, dass die Türkei nun Afrin angreift, führte dazu, dass die USA sich zurückzogen und erklärten, dass Afrin für sie keine Region mit hoher Priorität sei. Dies kann als Schachzug der USA interpretiert werden, um die Beziehungen mit der Türkei nicht allzu sehr zu zerreiben, womit Russland aber wahrscheinlich rechnet.
Um die Gemüter zu besänftigen, reagierte auch der US-Außenminister Tillerson mit der Erklärung, dass sie „nicht die Absicht hätten, eine Grenzsicherungsarmee aufzubauen“.
Die Frage in diesem imperialistischen Schachspiel in Bezug auf die Türkei ist folgende: Kann eine Operation, dessen Durchführung oder Nicht-Durchführung den Führungsanspruch Russlands oder der USA in Syrien bestimmt, „ein nationales Sicherheitsproblem der Türkei“ sein, wie zu Beginn von der türkischen Regierung behauptet wurde? Besteht das nationale Sicherheitsproblem nicht viel mehr darin, ob die Türkei sich zum Handlanger der imperialistischen Pläne macht oder eben nicht?
Nie war die demokratisch-politische Lösung des Kurdenproblems so nah und international lösbar wie heute. Aber die islamische Erdogan-Administration, die stark mit der nationalistischen MHP kooperiert, erkennt die Lösung aus Eigeninteressen nicht an und versucht, die Bevölkerung mit nationalen Gefühlen hinter sich zu versammeln. Alle,die bei diesem Spiel nicht mitmachen, werden als Vaterlandsverräter und Feinde abgestempelt und mundtot gemacht.

Keine militärische Operation, sondern Frieden. Keine Feindschaft, sondern Brüderlichkeit!

Am 20. Januar hat das türkische Militär zusammen mit der Freien Syrischen Armee (FSA) eine intensive Luft- und Bodenoffensive gegen die kurdische Stadt Afrin in Nordsyrien begonnen.

Bereits zwei Jahre zuvor hatte das türkische Militär seine Soldaten nach Al-Bab geschickt, um eine Fläche von 20.000 km2 zwischen Dscharabulus bis Al-Bab zu kontrollieren. Türkische Regierungsvertreter erklären immer wieder, dass die sog. „Operationen“ (man spricht explizit nicht von „Krieg“) außerhalb der eigenen Staatsgrenzen weitergehen werden. Interessant ist die Aussage, die öfters fiel, dass man die Ziele dieser „Operationen“ ständig aktualisieren werde.

Wie kam es zu diesen Operationen?

Vor dem Beginn des Syrien-Krieges vor 6 Jahren hatte die AKP-Regierung die Zusammenarbeit mit Syrien stark ausgebaut, gegenseitige Visa-Bestimmungen aufgehoben und sogar ministerielle Arbeitstreffen veranstaltet. Erdogan, damals noch Ministerpräsident, sprach vom syrischen Präsidenten als „mein Bruder Assad“. Aber ab 2011 wehte der Wind plötzlich aus einer anderen Richtung. Aus dem Bruder wurde „der Tyrann Assad“ und seine Gegner wurden unterstützt. Die AKP-Regierung griff verdeckt und offen in innersyrische Angelegenheiten ein, militärisch und finanziell wurden Kräfte unterstützt und finanziert, die Assad bekämpften, darunter auch Al-Kaida und der sogenannte Islamische Staat ISIS (später IS). Bezahlte Söldner und freiwillige Kämpfer passierten ohne Probleme die türkisch-syrische Grenze, ihre Verletzten wurden in der Türkei medizinisch versorgt, die Türkei wurde Rückzug- und Planungsbasis für militärische Operationen und mit Hilfe der Saudis und Katars wurden die Terroristen bewaffnet und ihre strukturellen Organisationen unterstützt.

Zu Beginn gab es zwischen den Regierungen der USA und der Türkei strategische Zusammenarbeit in Bezug auf Syrien ohne größere Konflikte. Beide Seiten hatten das vorrangige Ziel, die Assad-Regierung zu stürzen und bedienten sich der Formel: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund!“. Je mehr Gräueltaten der islamisch-terroristischen Banden jedoch öffentlich wurden, desto stärker wurden auch die internationalen Proteste und der Druck, klare Positionen zu zeigen. Dass die USA in diesem Zusammenhang eine Richtungsänderung einleiteten und den kurdischen Widerstand in Kobane gegen den Islamischen Staat unterstützen, führte dazu, dass die Beziehung zwischen der Türkei und den USA gestört wurde. Die USA wollten den IS als Gegner ausschalten und sich über die in der Nordregion dominierende YPG der Kurden ihren eigenen Platz in Syrien sichern. Die AKP jedoch wollte die Kurden im Norden von Syrien bekämpfen und das eigene Staatsgebiet erweitern. Trotz der Richtungsänderung der USA hielt die Türkei an ihrer Strategie fest: Assad musste weg und die Existenz der kurdischen Kantone an der türkischen Grenze musste beendet werden. Zu gefährlich, alleine daran zu denken, was das für die Kurden in der Türkei bedeuten würde. Somit bröckelten die amerikanisch-türkischen Beziehungen. Die USA und die Türkei waren aber nicht die einzigen Länder, die Interessen in Syrien haben. Russland und später auch der Iran kamen Syrien/Assad zu Hilfe, als er danach schrie. Russland aktivierte die eigenen ehemaligen Basen in Syrien und schickte weitere Soldaten. Später zeigte der Iran Präsenz durch ihre Quds Brigaden und die schiitische Miliz. Während die Beziehungen zwischen der Türkei und den USA kriselten, wurde von der Türkei auch noch ein russisches Flugzeug abgeschossen, woraufhin die Beziehungen zu Russland auch stark abnahmen. Russland verhängte ein Embargo gegen die Türkei und die Türkei konnte es sich nicht mehr leisten, die syrische Grenze zu passieren. Später entschuldigte sich Erdogan, bezahlte eine Entschädigung und bemühte sich um die Besserung ihrer Beziehung zu Russland. In diesem Durcheinander an diplomatisch-strategischen Bündnissen und Interessen entfernte sich die Türkei von den USA und näherte sich Russland, was sich auch auf die türkisch-deutschen bzw. europäischen Beziehungen auswirkte, die wiederum andere Interessen in der Region verfolgen.

Schlauer Fuchs Türkei

Die AKP-Regierung hat den Interessenkonflikt zwischen den imperialistischen Ländern für die eigenen Interessen ausgenutzt. Das türkische Volk musste davon überzeugt werden, dass diese Operationen eine „regional-nationale“ Angelegenheit seien. Wer davon nicht überzeugt ist, wird mit Unterdrückung und Zensur mundtot gemacht. Die Operationen in Afrin haben nicht, wie behauptet das Ziel, den Terror zu beenden und sind auch keine „nationale Angelegenheit“. Sie dienen einzig dem Ziel, ein kurdisch verwaltetes Gebiet im Keime zu ersticken.

Jetzt kommt die Spaltung erst recht

Ein Grund für die Operation „Olivenzweig“ in Afrin ist es, eine Spaltung der Türkei zu verhindern, so die offiziellen Erklärungen. Man behauptete, dass die kurdische PYD-YPG die Türkei permanent provoziere. Die Türkei hatte in Syrien nicht einmal interveniert, als die eigene Stadt Kilis auf der türkischen Seite mit Raketen beschossen wurde und zwei türkische Soldaten von IS-Banden getötet wurden. Und jetzt, ohne dass eine einzige Bombe von der YPG in Richtung der Türkei abgefeuert wurde, fühlt man sich gezwungen, zu intervenieren? Wie soll eine Operation in Afrin, die viele Tote und Verletzte vor allem Zivilisten hervorbringen wird, eine Spaltung der Türkei verhindern? Wer kann ernsthaft behaupten, dass Krieg und Tod die Kurden und die Türken einander näher bringen wird? Nein, die Behauptung, dass diese Operation die Türkei zusammenhalten wird, ist falsch. Ganz im Gegenteil, diese Operation wird die Völker des Landes weiter auseinander bringen und die Feindschaft provozieren. Es wird auch nicht dabei bleiben. Sollten die Kurden tatsächlich verlieren, wird die einzig demokratische und fortschrittliche Kraft der Region fallen und somit wird reaktionären und rückschrittlichen Kräften in die Hände gespielt.

In Syrien stehen sich Kräfte gegenüber, die in der Region ihre Macht stabilisieren oder stärken möchten. Die Operation gegen Afrin dient einzig dazu, die Interessenskonflikte in der Region zu vertiefen und die Türkei ins Zentrum dieses Konfliktes zu befördern. Die türkische Regierung verkündete, dass sie mit dieser Operation, nicht nur die einheitliche Struktur der Türkei, sondern auch die Syriens verteidigen würde. Aber das ist eine Lüge. Mit der Unterstützung von islamisch-terroristischen Organisationen wie die Freie Syrische Armee, Ahrar-Al Sham oder der Al Nusra Front kann die Türkei nichts zur Einheit Syriens beitragen, da diese Organisationen alle für eine Spaltung Syriens stehen.

Friedliche Lösung das zentrale Problem

Es ist vor allem in den letzten Jahrzehnten deutlich geworden, dass das Kurdenproblem nicht mit militärischen Maßnahmen zu lösen ist. Dieses Problem ist mittlerweile auch kein nur innertürkisches Problem mehr. Das ist jetzt ein Aspekt eines Konfliktes, in das sich die größten Imperialisten dieser Welt einmischen. Dass die Türkei ihre innerpolitischen Konflikte auf die internationale Arena trägt, wird der Bevölkerung in der Türkei eine hohe Rechnung bescheren.

Das Anliegen der Türkei, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und ihre innerpolitischen Konflikte mit einem Angriffskrieg gegen Nordsyrien lösen zu wollen, wird nicht fruchten. Bereits jetzt befindet sie sich mit der EU und den USA im Clinch, auch wenn EU/Deutschland und die Türkei sich dem Anschein nach, wieder einander nähern. So gibt es keine Garantie dafür, dass die Beziehungen zu Russland sich in nächster Zukunft nicht ebenfalls destabilisieren.

Es gibt nur einen richtigen Weg: Eine friedliche politische Lösung des Kurdenproblems sowohl in der Türkei als auch in der Region ist unumgänglich. Eine friedliche Lösung auf der Grundlage von Gleichberechtigung ist der einzige Weg. Dieser Weg muss nach einem vollständigen Waffenstillstand gegangen werden.

Die türkische Regierung spielt mit dem Feuer!

Die Türkei orientierte ihre Politik im Nahen Osten noch bis vor wenigen Jahren an der Haltung der USA und versuchte sich in diesem Sinne zu positionieren. Auch wenn zur Zeit noch keine hunderprozentige Abkehr davon zu erkennen ist, orientiert sich die Türkei nun hauptsächlich an Russland. Sie hat zusammen mit Russland und dem Iran im „Astana Prozess“ als „Garant“ dazu beigetragen, dass die USA teilweise ausgebootet wurden. Dass die Türkei in diesem Zuge behauptet, dass sie mit diesem Schritt dem Imperialismus die Stirn böte, ist schlichtweg falsch. Russland ist nicht weniger imperialistisch als die USA.

Diejenigen, die behaupten, die USA möchten zur Spaltung der Türkei beitragen, produzieren mit diesem Argument nur eine Legitimation, die Seiten innerhalb der imperialistischen Fronten zu wechseln. Aber klar ist doch, dass jede imperialistische Macht ihre eigenen Interessen verfolgt. Die Interessen der Verbündeten sind dabei nur von Belang, solange sie eigenen Interessen dienen oder zumindest diese nicht gefährden. Dennoch ist dies natürlich keine Einbahnstraße. Die türkische Regierung hat zur Erreichung eigener Ziele die Widersprüche zwischen den USA und Russland ausgenutzt und den Weg nach Afrin erzwungen. Die imperialistischen Ländern haben, passend zu ihren eigenen Interessen und Zielen, taktische Schritte in Bezug auf die von der Türkei geschaffenen Fakten eingeleitet. Das ist es, was die türkische Regierung zur Zeit als „Erfolg“ preist.

So klar, wie die Widersprüche zwischen imperialistischen Kräften gerade auch sind, ebenso ausschlaggebend sind ihre Gemeinsamkeiten. Bisher haben diese Länder eine Route verfolgt, auf der sie sich nicht in die Quere gekommen waren. Aber letztendlich ist Syrien dennoch in ein Chaos getrieben worden. Und jeder versucht, aus diesem Chaos den größtmöglichen Vorteil zu erlangen.

Aus diesem Grund können die jetzigen Verbündete morgen wieder zum Feind werden. Daher tanzt die Türkei gerade auf sehr dünnem Eis, weil sie in jedem Falle den Kürzeren ziehen wird.

USA ist imperialistisch, aber Russland nicht?

Jeder weiss, dass die miteinander kämpfenden Hauptkräfte in Syrien zwei imperialistische Länder sind: die USA und Russland. Wenn Syrien nicht in der Lage sein wird, seine Unabhängigkeit aus eigenen Kräften zu organisieren, wird es zwischen den USA und Russland aufgeteilt. Es ist offensichtlich, dass die Waffen und unbemannten Luftmaschinen, auf die man in der Türkei so stolz ist, nicht mit den Waffen und Raketen der USA und Russlands konkurrieren können. Somit gibt es nur einen Weg: mit einem der großen imperialistischen Länder kooperieren und ihm hinterherlaufen und den Segen des großen Landes einholend eigene Ziele verfolgen. Diese Unterwerfung ist auch nicht nur eine einmalige Sache. Die Türkei wird aus diesem Grund auch in Zukunft nicht frei darin sein, unabhängig von Russland zu agieren. Sie wird die Forderungen und Bedürfnisse Russlands berücksichtigen müssen und weiterhin Handlanger sein. Von der Abhängigkeit von den USA zu der Abhängigkeit zu Russland. Was mit weder der US-Politik noch mit der russischen Politik vereinbar ist, sind die Bedürfnisse der türkischen Bevölkerung und die der Völker im Nahen Osten. Dieser Widerspruch hat immer schon Blut, Tränen, Trauer, Flucht und Armut produziert.

Die „nationalen Vorteile“ der Türkei liegen nicht in Syrien. Es liegt auf der Hand, dass die Türkei nicht voran kommen wird in Kooperation mit einem imperialistischen Land und nicht, wenn sie eine Rolle bei der Herstellung eines Gleichgewichts zwischen den USA und Russland spielt. Es bringt der Türkei keinen „Vorteil“ mit einem oder beiden imperialistischen Länder gemeinsame Wege zu gehen. Die Zukunft der Völker kann nur gut werden, wenn die Kooperation mit imperialistischen Ländern beendet wird.

Keine nationale, sondern eine „private“ Angelegenheit

Es ist garantiert, dass die Operationen in Afrin sowohl in Syrien als auch in der Türkei die Türken und die Kurden gegeneinander anstachelt und die Brüderlichkeit zwischen den Völkern stark beeinträchtigt. Während sich an diesen und ähnlichen Operationen nur Wenige (wie z.B. der Waffenunternehmer Bayraktar) bereichern, wird die finanzielle Last auf die Arbeiter und Werktätigen der Türkei aufgebrummt. Die wirtschaftliche Situation in der Türkei ist Tendenz zunehmend schlecht. Die Kluft zwischen Export und Import, der Zerfall des Tourismus und die Steigung der Schulden und Arbeitslosigkeit sprechen gegen Erdogans Politik. Er hingegen verfolgt seine Linie weiter. Erst kürzlich sprach er beim Verband der Arbeitgeber, warum der Ausnahmezustand ausgerufen wurde: „Um für Sie die Streiks verhindern zu können“ Sehr offene Worte. In Zeiten des Ausnahmezustandes wird die Situation der Arbeiter stets schlechter. Sie bekommen ein Gehalt, was zum Leben nicht reicht, arbeiten unter unzumutbaren Bedingungen, alles, was ihnen noch bleibt, wird in Form von Steuern und weiteren Abgaben aus der Tasche gezogen. Selbst der Arbeitslosenfond wurde auf das Kapital übertragen und dasselbe gilt auch für Beamten- und Kleinhändlerfonds. Dass die Kriegskosten zu Steuererhöhung und Preissteigerungen führen und diese von Arbeitern und Werktätigen bezahlt werden wird, ist kein Geheimnis. Jede Patrone, jede Bombe kostet Geld. Und jede Patrone bedeutet Tod und Trauer auf beiden Seiten. Und jeder Krieg betrifft nicht nur uniformierte Soldaten, sondern auch Zivilisten. Und Soldaten sind selbstverständlich auch Söhne von Arbeiterinnen und Arbeitern. Reiche, hohe Bürokraten, Minister schicken ihre Söhne nicht zum Militärdienst und schon gar nicht an die Front. In allen Kriegen bisher sind immer nur die Söhne von armen Menschen gestorben. In Afrin wird es nicht anders sein!

Nicht zuletzt wurde die Forderung „Frieden statt Krieg“ für illegal erklärt. Man spricht explizit von „Operationen für nationale Interessen“ und nicht von Krieg. Die „Nation“ ist jedoch in erster Linie Arbeiter, Werktätige, Bauern, Händler und die Geringverdiener in Stadt wie Land. Eine Angelegenheit, die alle diese Menschen zu Trauer und Armut zwingt, kann nicht als eine „nationale Angelegenheit“ präsentiert werden.

Erdogan und die AKP-Regierung spielen ein gefährliches Spiel auf unsere Kosten!

„Wenn Elefanten trampeln, leidet nur das Gras“. Das trifft gegenwärtig auf die diplomatische Krise zwischen der türkischen Regierung und den Regierungen europäischer Staaten. Nach dem in Deutschland Wahlkampfauftritte der türkischen Minister abgesagt wurden, ist die Situation in den Niederlanden regelrecht eskaliert, außer Kontrolle geraten. Zuerst wurde dem türkischen  Außenminister Cavusoglu keine Landeerlaubnis gewährt, dann wurde auch noch die Familienministerin Kaya aus den Niederlanden eskortiert. Im Gegenzug wurde der niederländische Chefdiplomat zur „unerwünschten Person“ erklärt.

„Erdogan und die AKP-Regierung spielen ein gefährliches Spiel auf unsere Kosten!“ weiterlesen